Achtsames Gehen als Bergwandern in Flip-Flops. Eigentlich keine gute Idee. Andererseits ist es heilsam, dann und wann mal etwas zu machen, das “man” gewöhnlich nicht tut. Das bringt frischen Wind ins Gehirn und mehr Weite ins Denken.

Unpassendes Schuhwerk brachte mich im letzten Urlaub in den Bergen mehr oder weniger unfreiwillig zu einer Achtsamkeitsübung, als sich der „Spazierweg“ auf einem Bergkamm als für einen Flachländer mittelschwere Kletterpartie erwies.

Ich war darauf nicht vorbereitet und hatte deshalb keine festen Schuhe, sondern wegen der Sommerhitze Flip Flops angezogen. Da die Situation war, wie sie war, beschloss ich, eine Übung in achtsamem Gehen aus dieser unfreiwilligen Bergwanderung zu machen.

“Die Meinung der anderen” als Achtsamkeitsübung

Die Achtsamkeitsübung begann bereits damit, eine akzeptierende freundliche innere Haltung zu den Reaktionen einiger anderer Bergbesucher einzunehmen, die mittels verständnislosem Kopfschütteln und herablassenden Belehrungen ihre Missbilligung über meine unpassende Fußbekleidung zum Ausdruck brachten.

(Was bei mir die innere Frage aufwarf, wie sich wohl die Menschen zu früheren Zeiten durch die Berge bewegt haben, als es noch keine atmungsaktiven, wasserfesten High-Tech-Wanderschuhe mit luftgepolsteter Trittdämmung gegeben hat … ?

Nun, es gab weder die Gelegenheit noch verspürte ich Lust zu erklären, wie es zu meiner Schuh-Situation gekommen war – was mich wieder einmal daran erinnerte, wie oft wir im Alltag Urteile über Menschen oder Situationen fällen, obwohl wir niemals „das ganze Bild“ kennen, uns die Geschichte hinter dem, was wir sehen, meistens unbekannt ist

Achtsames Gehen als Meditation

Die Übung des achtsamen Gehens erforderte meine ganze Aufmerksamkeit. Sich zu unterhalten oder in der Gegend herumzugucken, hätte die Gefahr zu straucheln oder sogar zu stürzen nach sich gezogen. Also richtete ich meine volle Konzentration darauf, wo ich jeden einzelnen Schritt hinsetzte.

Obwohl die Flip Flops recht stabil waren und fest an meinen Füßen saßen, registrierte ich jedes kleine Steinchen und jede Unebenheit unter meinen Füßen.

Während dieser Gehmeditation konnte ich das virtuose Zusammenspiel der einzelnen Zehen mit dem Fußgelenk wahrnehmen, wie der ganze Körper auf die Impulse der Füße antwortete und wie er sich von Moment zu Moment bis hoch zum Ende der Halswirbelsäule immer wieder neu auspendelte.

An diesem Tanz der Bewegung waren Knie, Hüfte, Becken, Wirbelsäule, Schultergelenke, Ellenbogen- und Handgelenke ebenfalls beteiligt.

Während die zünftigen, erfahrenen Bergwanderer mit festem Schritt zielstrebig an mir vorüber stampften, genoss ich die langsamen Bewegungen meines Körpers, der sich, einer unsichtbaren Choreografie folgend, geschmeidig durch die Bergwelt bewegte.

Das stampfende Auftreten der Wanderer, deren harte Schuhsohlen den Untergrund gleichsam zu zermahlen schienen, stand dabei in einem starken Kontrast zum lautlosen, sanften Auftreten meiner Flip-Flop-Schritte.

Erfahre hier, wie du achtsames Gehen zur Achtsamkeitsübung machst »»

Achtsames Gehen: Wenn unsere Füße die Erde küssen

Der buddhistische Lehrer Thich Nhat Hanh, wohl bekannteste Vertreter der Gehmeditation, kam mir dabei in den Sinn. Er lud uns dazu ein, so zu gehen, als würden unsere Füße die Erde küssen. Und in der Tat: genau so fühlte mein Gehen sich an. Es hatte Würde, und jedes achtsame Auftreten war erfüllt mit Respekt und Dankbarkeit dem Berg gegenüber.

Am Ende des Tages dachte ich noch lange über diese Erfahrung nach und darüber, wie wundervoll selbst solche nicht-idealen Situation sein können, wenn wir ihnen mit Achtsamkeit begegnen.

(Zur Nachahmung übrigens nicht empfohlen!)  😉

© Doris Kirch, 2018


Video:
Achtsames Gehen als Achtsamkeitsübung im Alltag erfahren