Zu viel Grübeln kann einem die Meditation echt vermiesen. Mit zwei einfachen Achtsamkeitsübungen verfängst du dich gar nicht erst im Gedankenkreisen. Sie helfen dir, den hyperaktiven “Affengeist” zu bändigen und aufgewühlte Gedanken zu beruhigen.

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Gedanken sind nicht deine Feinde. Aber in der Meditation fühlen sie sich manchmal so an. Während wir uns nach Stille sehnen, gebärdet sich der Geist mit seinen Grübeleien bisweilen wie eine lärmende, wildgewordene, Affenhorde. “Affengeist” wird der Verstand in der buddhistischen Lehre deshalb auch gerne genannt.

Und jeder Meditierende weiß genau, warum er so bezeichnet wird. ;o)  In der Meditation, in der wir uns nach Gedankenstille und Ruhe im Geist sehnen, können wir die Erfahrung machen, was für eine enorme Lautstärke kreisende Gedanken erzeugen. Ständig verfängt sich der Geist in Grübeleien und wird fortgetragen von Tagträumereien, Phantasien, Erinnerungen oder Plänen.

Wie Grübeln und Gedankenkreisen sich anfühlen

Als hätten wir ständig einen imaginären Freund an unserer Seite, der uns einerseits lieb und vertraut ist, uns andererseits aber über die Maßen nervt.

Ständig vor sich hin monologisierend schnattert er uns ununterbrochen irgendetwas ins Ohr. Einiges davon ist hilfreich – aber das meiste ist einfach “Bullshit”: Belangloses Geschwätz, von Ängsten oder Sorgen eingefärbte Gedanken, jede Menge Bewertungen, Kritik und Vergleiche. Und erst diese Wiederholungen – ein schier endloses Gedankenkarussell.

Chaotisches Denken

Meine Schüler sagen mir, dass sie manchmal verwirrt sind von all dem Gerde. Manch einer fühlt sich von diesen inneren Geschichten wie betäubt, bisweilen sogar wie ein hypnotisiertes Kaninchen. Es herrscht Irritation: Was von all diesen Gedanken soll ich glauben? Und was nicht? Wie komme ich aus der Grübelfalle wieder raus?

Die Geschichten, die der Geist erzählt, sind nicht logisch-kausal geordnet, sondern primär-prozesshaft, wie es in der Psychologie so schön heißt. Es ist also nicht so, dass wir mit einem Gedanken beginnen, ihn systematisch durchdenken, ihn abschließen und uns dann den nächsten vornehmen. In einfachen Worten: Alle Gedanken schießen quer durcheinander.

Zu viel Grübeln trennt uns von der Realität

Auch mich ermüdet dieses Gedankenchaos manchmal. Wenn es auftritt kann ich bemerken, dass es Stress und Anspannung im Körper erzeugt. Am unangenehmsten finde ich, dass die Geschichten, die mein Gehirn produziert, mich von der Realität abtrennen.

Denn sie sind nur der Soundtrack des Geistes – sind nur Gedanken über die Erfahrungen. Sie sind nicht die Erfahrung selbst – die kann nur über die Sinne erfahren werden und nicht durch die Geschichten, die der Kopf uns erzählt. Ein Großteil unseres mentalen Leidens entsteht aus dem verzweifelten Festhalten an diesen Geschichten und Überzeugungen.

Zum Glück gibt es Achtsamkeit. Durch Achtsamkeit können wir sehen, dass Gedanken zwar immer da – aber nicht immer wahr sind. Die Achtsamkeitspraxis ermöglicht uns, mit den Gedanken zu arbeiten ohne uns in ihnen zu verstricken und zu verlieren.

Durch Achtsamkeit können wir sehen, dass Gedanken zwar immer da – aber nicht immer wahr sind.

Doris Kirch

Der Geist: Ein kreischendes, schnatterndes Irrenhaus auf Rädern

“Dein Geist ist ein kreischendes, schnatterndes Irrenhaus auf Rädern, welches Hals über Kopf und völlig außer Kontrolle den Berg hinabrast”, so in etwa drückte es der buddhistische Lehrer Henepola Gunaratana aus. Und er fügte hinzu, dass wir heute nicht verrückter sind, als wir es gestern waren. Es war schon immer so; wir haben es bislang nur nicht mitbekommen.

Es ist schon etwas pervers, dass es ausgerechnet zu einer Zeit im Geist so laut ist, wo wir uns Stille wünschen und uns zum Meditieren hinsetzen. Aber es ist möglich, die ersehnte Ruhe zu erlangen. Allerdings nicht durch Wollen und schon gar nicht unter (Zeit-)Druck – also nicht mit der Brechstange. Ruhe im Geist und ein Ende des Grübelns stellt sich als Resultat im Zuge eines systematischen Achtsamkeitstrainings ein, das wir Meditation nennen.

Zu viel grübelnder Affengeist

Verstand im Selbstverteidigungsmodus

Wenn wir also wild entschlossen versuchen, den Geist unter Kontrolle zu bringen und er merkt, dass wir ihn ruhigstellen wollen, geht er erstmal in den Selbstverteidigungs-Modus, um unsere Absichten zu unterwanden und zu schwächen. Seine Waffen sind Kritik und Selbstkritik.

Merken wir nicht, was da läuft und gehen wir dieser Strategie auf den Leim, dann hat der Verstand die Runde gewonnen; der Punkt geht an ihn. Einem an die Meditation (noch) nicht gewöhnten Gehirn ist der Geist hier immer einen Schritt voraus.

Unverdrossen setzen wir uns erneut zum Meditieren nieder, mit der Absicht, das große Kino der Gedanken unberührt an uns vorüberziehen zu lassen. Und wieder tritt der Verstand gegen unseren Enthusiasmus an, indem er uns so lange mit Massen an Gedanken, Grübeleien und Ablenkungen bombardiert, bis wir schließlich mürbe werden, ermüden und erlahmen. Schon wieder war der Kopf einen Schritt voraus.

Dem Gedankenchaos mit Achtsamkeit und Klugheit begegnen

Indem wir den Geist und sein Treiben beobachten und seine Strategie durchblicken, sind wir ihm jedoch einen Schritt voraus – denn jetzt können wir unser Vorgehen geschickt anpassen.

Wenn deine geistigen Fähigkeiten noch nicht stabil genug sind, um mit dem Affentheater umzugehen, dann “portioniere” die Aufgabe, um den Geist in kleinen Schritten zu trainieren.

Nutze dafür die einfache aber wirkungsvolle Achtsamkeitsübung, den Geist durch drei bewusste Atemzüge zu beruhigen.

Achtsamkeitsübung gegen Grübeln:
3 bewusste Atemzüge

Mit dieser Achtsamkeitsübung verhinderst du es, ins Grübeln und Gedankenkreisen hineingezogen zu werden. Sie ist denkbar einfach:

  • Du gibst dem Verstand die Anweisung, drei Atemzüge lang völlig still zu sein und sich auszuruhen. Weil der Geist keine Atemzüge zählen muss, kann er sich voll und ganz entspannen und sie genießen.
  • Dann gibst du dem Verstand wieder frei und lässt ihn laufen, wohin er will … um ihn kurze Zeit später erneut auf die drei Atemzüge zu fokussieren.
  • Streu diese drei Atemzüge als Achtsamkeitsübungen der Geistesruhe in deinen Alltag ein.
  • Sobald dein Geist stabil genug ist, kannst du die Anzahl der bewussten Atemzüge allmählich steigern.

Je häufiger der Geist im gegenwärtigen Moment verweilt, desto ruhiger wird er. Ganz von allein. Und irgendwann findet er Gefallen an diesem Zustand – weil es eigentlich sein natürlicher Zustand ist. Der Grundzustand des Geistes ist vollkommene Stille und Präsenz. Es ist unser unablässiges, getriebenes Tun, das ihn zur hysterischen Affenhorde macht.

Der Grundzustand des Geistes ist vollkommene Stille und Präsenz. Es ist unser unablässiges, getriebenes Tun, das ihn zur hysterischen Affenhorde macht.

Doris Kirch

Wer seinen Verstand untersucht, stellt schnell fest, dass er sehr gut ohne das Geschwätz des Geistes leben kann. Wir brauchen all diese Kommentare nicht, denn sie trennen uns nur von der Erfahrung des gegenwärtigen Moments – und trennen uns damit von unserem Lebendigsein.

Gedanken als Meditationsobjekte nutzen

Die Strategie dieser Übung (und auch der folgenden) ist, Gedanken nicht als “Störungen” zu sehen. Stattdessen nutzen wir sie als Meditationsobjekt. Wir begeben uns in die Position eines Beobachters, der unbeteiligt den durch die Gedanken bewegten Geist betrachtet, ohne sich mit den Inhalten zu beschäftigen oder gar zu identifizieren.

Wir erlauben allen angenehmen und unangenehmen Gedanken dazu sein, ohne einzugreifen, ohne zu bewerten und ohne über die Gedanken nachzugrübeln.

In der buddhistischen Lehre werden oft Wasser-Metaphern verwendet. Sie sind auch auf das Grübeln anwendbar, indem du dir zum Beispiel vorstellst, dass sich die auftauchenden Gedanken wie Wellen in einem Ozean von einem Moment zum anderen aufbäumen und wieder verschwinden.

So wie der Ozean ständig in Bewegung ist, ist auch der Geist ständig in Bewegung. Denken ist sein Job. Aber wir müssen nicht auf jeden Gedanken anspringen. Wir lassen die Gedanken einfach sanft am weichen Ufer unseres Bewusstseins auslaufen.

Auch die zweite Achtsamkeitsübung, die ich dir vorstellen möchte, hat mit Wasser zu tun. Sie greift das Bild oder das Gefühl auf, das viele Meditierende haben, in der Meditation (aber auch im Alltag) von Gedanken “überflutet” zu werden.

Achtsamkeitsübung Grübeln Wasserfall

Achtsamkeitsübung gegen Grübeln: Wasserfall

Vielleicht kennst du dieses Gefühl, wie unter einem wahren Niagarafall von stressenden Gedanken zu sitzen, während Unmengen von Wasser auf dich herabstürzen. Das Bombardement fühlt sich an, als würden Tonnen von Wasser sich direkt auf deinen Kopf ergießen.

Der Trick ist: Tritt einen Schritt zur Seite! Oder tritt einen Schritt nach hinten, hinter den Wasserfall.

Oder du suchst irgendwo Schutz, von wo aus du das tosende, herabstürzende Wasser aus sicherer Entfernung beobachten kannst.

Darum geht es in der Achtsamkeitspraxis: Von der Erfahrung zurückzutreten und sie zu beobachten, ohne sich in ihr zu verlieren.

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© Doris Kirch | 2021