Achtsamkeitsübungen im Alltag sind eine wichtige Ergänzung zur Achtsamkeitsmeditation auf dem Kissen. Erfahre, wie du Achtsamkeit üben kannst, auch wenn deine Zeit knapp ist. Anleitungen und Tipps, wie du  alltäglichen Verrichtungen in Achtsamkeitsübungen umwandeln kannst.

1. Achtsamkeits-Morgenübung im Bett

Kleiner Teddy, liegt entspannt auf dem Rücken auf dem Bett

Achtsamkeitsübungen am Morgen im Bett, um frisch und bewusst in den Tag zu starten.

Stimme dich gleich am frühen Morgen auf einen Tag in Achtsamkeit ein, indem du nach dem Aufwachen noch einen Moment lang liegenbleibst. Der bewusste Beginn einer Tätigkeit ist ausschlaggebend für ihren Verlauf. Das gilt auch für den Beginn des Tages, dem wir gleich zu Beginn eine klare, fokussierte innere Ausrichtung geben.

Stelle dein Gehirn bereits morgens auf den Achtsamkeitsmodus ein. Dann wird es dir im Laufe des Tages leichter fallen, dich immer wieder einmal daran zu erinnern, Achtsamkeit in deine Verrichtungen zu bringen.

In diesen wenigen Minuten nach dem Aufwachen, kannst du viel Gutes in Sachen Achtsamkeit für dich tun: Kleine Übung, große Wirkung. Hier sind ein paar Vorschläge, wie du die morgendliche Zeit nach dem Aufwachen sinnvoll für dich nutzt:

Achtsam atmen

Werde dir deines Wachseins bewusst und spüre, wie dein Atem den Körper bewegt. Wenn sich Gedanken einstellen, dann registriere das kurz und bringe die Aufmerksamkeit wieder sanft auf den Atem zurück. Spüre einige Atemzüge lang die beruhigende, zentrierende Wirkung des rhythmischen Ein- und Ausatmens.

Kurzer Bodyscan

Du kannst die Übung intensivieren, indem du die Aufmerksamkeit nacheinander auf die verschiedenen Bereiche des Körpers richtest. Dieses geistige Abtasten des Körpers wird Bodyscan genannt. Du führst quasi einen kurzen Mini-Bodyscan durch.

Mehr Informationen über den Bodyscan und eine Übungsanleitung findest du hier →

Dafür brauchst due keine bestimmte Reihenfolge einzuhalten; lass dich einfach von deiner Intuition leiten. Widerstehe der Versuchung, bei diesem “Mini-Bodyscan” irgendetwas forcieren oder beeinflussen zu wollen. Die Übung ist wirkungsvoller, wenn du für diesen Moment alles so annimmst, wie du es vorfindest.

Status quo auf der Bettkante

Alternativ oder zusätzlich kannst du dir angewöhnen, die Beine bewusst aus dem Bett zu schwingen. Jeder unserer Handlungen geht ein Impuls voraus. Der Moment dieses Impulses ist ein sehr kraftvoller achtsamer Moment – und eine deutliche Botschaft zum Achtsamsein ans Gehirn.

  • Erfasse zunächst bewusst den Impuls, gleich die Beine bewegen zu wollen.
  • Dann schwinge die Beine aus dem Bett.
  • Beibe noch einen kurzen Moment lang auf der Bettkante sitzen.
  • Atme bewusst
    und nimm dabei wahr, wie es dir gerade geht: Welche Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle oder Stimmungen sind in diesem Moment in dir präsent?

Das Wahrgenommene sollte nicht bewertet werden. Es geht ganz schlicht nur darum, den Status quo festzustellen.

2. Alltägliche Verrichtungen als Achtsamkeitsübungen

Mann beim Bügeln: Achtsamkeitsübungen im Alltag

Alltägliches kann zur Achtsamkeitsübung werden, wenn es bewusst durchgeführt wird.

Das Besondere an der Achtsamkeitspraxis ist, dass sie weit über das formale Meditieren auf einem Meditationskissen hinausgeht. Im Gegenteil: Achtsamkeit wird als sogenanntes informelles Üben auch in die gewöhnlichen Verrichtungen des Alltags integriert.

Als Achtsamkeitsübung im Alltag kannst du dir achtsam die Zähne putzen, achtsam Duschen, achtsam Autofahren, achtsam Tagebuch-Schreiben, achtsam E-Mails schreiben, achtsam gehen, achtsam essen und trinken, achtsam aufstehen und dich achtsam hinsetzen, achtsam Türen öffnen und schließen, achtsam Essen kochen und achtsame Gartenarbeit verrichten.

Was kannst du heute achtsam ausführen?

Kleiner Tipp: Beginne nicht gleich mit zu komplexen Aufgaben, wie zum Beispiel, das Mittagessen achtsam zuzubereiten. Für ein ungeübtes Gehirn ist das eine unbewältigbare Aufgabe – wodurch ein Scheitern vorprogrammiert ist. Packe lieber “kleine Päckchen”. Du wirst schnell merken, dass auch scheinbar kleine Aufgaben anspruchsvoll genug sind.

Außerdem registriert dein Bewusstsein jedes der kleinen Erfolgserlebnisse der Achtsamkeitsübungen im Alltag. Dadurch wird das neuronale Achtsamkeits-Netzwerk deines Gehirns fortlaufend erweitert und stabilisiert.

3. Erfahrungen innerlich ‘dokumentieren’

Entspannt durch Achtsamkeitsübungen im Alltag: Frau lächelt in die Kamera

Achtsam sein bedeutet, sich bewusst sein, was geschieht, während es geschieht.

Vertiefe die Erfahrungen mit deinen Achtsamkeitsübungen im Alltag, indem du dir innerliche Notizen machst:

  • “Was denke, fühle, empfinde ich in diesem Moment?”
  • Achte darauf, in welcher inneren Haltung du dich während deines Tuns befindest. Bist du gerade wohlwollend, ablehnend, verärgert oder interessiert?
  • Registriere, wenn du dich in Bewertungen über eine Sache, eine Situation oder eine Person verfangen hast.

4. Innehalten als Alltagsübung in Achtsamkeit

Grafik zum Verdeutlichen des Reduzierens von Stress durch Achtsamkeit

Im Alltag dann und wann zu stoppen und innezuhalten, trainiert das achtsame Bewusstsein.

Das Gegenteil von Achtsamkeit ist Unachtsamkeit. Im Taumel unseres hektischen und immer komplexer werdenden Lebens rauschen viele Dinge einfach an uns vorbei. Fazit: Wir führen ein Leben in Unachtsamkeit.

Um unserem Leben mehr Bewusstsein und Qualität zu geben, ist es hilfreich, im Geraffel des Alltags immer wieder einmal zu stoppen und innezuhalten und uns unserer Gedanken und Gefühle und der Dinge um uns herum bewusst zu werden. Halte zwischendurch einfach inne. Tue nichts, als zu atmen und fasse deine Erfahrung des gegenwärtigen Moments innerlich in Worte.

Angenehmer Nebeneffekt dieser Achtsamkeitsübung im Alltag: Die Fähigkeit, mitten in Aktivitäten stoppen zu können, um wieder zur Besinnung zu kommen, verringert langfristig die Neigung zu unbewusster Reaktivität in Stress-Situationen.

5. “Glocke der Achtsamkeit” nutzen

Kleines Tempelglöckchen als Symbol zum Erinnern an die Achtsamkeitsübungen im Alltag.

Ungewöhnliche Geräusche im Alltag als “Glocke der Achtsamkeit” nutzen, um innezuhalten.

Gibt es Geräusche in deinem Alltag, die du als unangenehm empfindest? Dann mache genau diese Geräusche zu einer “Glocke der Achtsamkeit”. Halte inne, wenn ein Telefon klingelt, Kirchglocken läuten, eine Sirene schrillt oder irgendwo jemand hupt.

Lass deinen Geist während des Innehaltens einen Moment lang auf den Wellen des Atems zur Ruhe kommen.

6. Den Körper als Achtsamkeits-Objekt nutzen

Auswirkungen von Achtsamkeitsübungen im Alltag auf den Menschen.

Der Körper hat nur eine Zeit und nur einen Ort: jetzt! hier!

Der Körper ist ein hervorragender Partner beim Praktizieren von Achtsamkeit, denn er hat nur einen Ort: hier und nur eine Zeit: jetzt. Um im Hier und Jetzt anzukommen, brauchen wir also nur unsere Aufmerksamkeit im Körper zu verankern.

Du kannst im Laufe des Tages immer wieder einmal in dich hineinspüren und die Empfindungen in den verschiedenen Bereichen des Körpers wahrnehmen (Anspannung, Wohlsein, Unwohlsein, Wärme, Kälte oder etwas anderes?). Einfach nur den Ist-Zustand registrieren – ohne ihn zu bewerten und ohne ihn anders haben zu wollen, als er ist.

Richte deine Aufmerksamkeit im Alltag auch immer einmal auf die Körperhaltung und auf deine Bewegungen, auf jedes Strecken, Beugen, Drehen oder Dehnen. Solltest du feststellen, dass du verspannt bist, kannst du dem Körper gleich ein paar achtsame Streching-Bewegungen gönnen.

7. Beobachtung des Atems als Achtsamkeitsübung

Frau bläst in eine Pusteblume: Achtsamkeitsübungen im Alltag genießen.

Den Atem nutzen, um im Alltag immer wieder für kurze Momente Ruhe zu finden.

Der Atem ist unser starker Verbündeter in der Achtsamkeitspraxis: Er erzeugt keine Emotionen und er ist immer verfügbar. Damit ist er der ideale Bezugspunkt, um unseren Geist zu beruhigen und hitzige Gefühle herunterzukühlen. Deshalb ist die Atembeobachtung eine der besten Achtsamkeitsübungen im Alltag.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Beobachtung des rhythmischen Ein- und Ausatmens den Parasympathikus aktiviert. Das ist der Teil unseres vegetativen Nervensystems, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist.

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Verbinde dich im Laufe des Tages immer wieder einmal mit dem Atem und erspüre seine Qualitäten: Ist er flach oder tief? Langsam oder schnell? Weich oder rauh? Leicht oder schwer? Der Atem sollte dabei nicht beeinflusst werden. Du musstest dich nie um ihn kümmern, deshalb gibt es auch jetzt keine Veranlassung dazu. Sei einfach stiller, passiver Beobachter; lass dich atmen.

8. Essen und Trinken als Achtsamkeitsübung im Alltag

Frau genießt Tee: Achtsamkeitsübungen im Alltag zum Wohlfühlen und Regenerieren.

Essen musst du sowieso; mach doch gleich eine Achtsamkeitsübung daraus.

Essen und Trinken sind eine besonders freudevolle Achtsamkeitsübung, denn die achtsame Hinwendung auf den Prozess der Nahrungsaufnahme vertieft den Genuss erheblich. Lasse äußere Ablenkungen in den Hintergrund treten, iss schweigend und sprich bewusst deine Sinne an: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen. Das Ergebnis wird dich überwältigen.

Achtsam essen kann sinnlich wie Sex sein →

Kleiner Praxistipp: Beginne nicht gleich mit der komplexen Aufgabe, eine ganze Mahlzeit achtsam essen zu wollen. Für ein ungeübtes Gehirn ist das eine unbewältigbare Aufgabe – wodurch ein Scheitern vorprogrammiert ist. Nimm dir lieber vor, den ersten Bissen einer Mahlzeit achtsam zu essen oder den ersten Schluck Ihres Morgenkaffees achtsam zu trinken.

Du wirst schnell merken, dass solche scheinbar kleinen Achtsamkeitsübungen im Alltag anspruchsvoll genug sind. Außerdem registriert dein Bewusstsein aufmerksam jedes einzelne dieser vielen kleinen Erfolgserlebnisse, wodurch sich das neuronale Achtsamkeits-Netzwerk deines Gehirns fortlaufend erweitert und stabilisiert.

Buchtipp: Achtsam essen

9. Warten als Achtsamkeitsübung im Alltag

Eine Uhr, die zu jeder Stunde NOW anzeigt, zum Erinnern an die Achtsamkeitsübungen im Alltag.

Wartesituationen als “Dünger” für die Achtsamkeitspraxis nutzen.

Wie viel Zeit hast du schon angenervt beim Warten an roten Ampeln und Supermarktkassen, in Ärzte-Wartezimmern oder auf das Essen in einem Restaurant verbracht? Gegen solche aufgezwungenen Wartezeiten können wir auch mit Achtsamkeit nichts ausrichten – wohl aber gegen das Angenervtsein.

Nutze künftig Wartesituationen bewusst als Dünger für deine Achtsamkeitspraxis. Mache all diese Situationen zu Achtsamkeitsübungen für den Alltag. Dazu brauchst du nur deine Aufmerksamkeit auf den Atem zu richten und du kannst dabei zuschauen, wie dein ungeduldiges Gemüt von Ruhe und Gelassenheit erfüllt wird.

10. Tagesrückblick: Dankbarkeit als Achtsamkeitsübung

Zettel mit der Aufschrift: Grateful for Today. Eine hilfreiche Achtsamkeitsübung im Alltag.

Dankbar sein als Achtsamkeitsübung und Heilmittel für schwierige Gefühle.

Dankbarkeit gilt als hilfreiches Gegenmittel für schwierige Gefühle wie Angst, Ärger, Trauer, Sorge oder Scham. Solange du dich im Modus der Dankbarkeit befindest, kannst du keine schwierigen Gefühle aufrechterhalten, denn es ist nicht möglich, zur gleichen Zeit wütend und glücklich sein. Dankbarkeit zu praktizieren fördert die innere Haltung der Achtsamkeit. Frage dich, abends vor dem Einschlafen: “Wofür bin ich heute dankbar?” Werde dir all der Dinge bewusst, mit denen du gesegnet bist.

Im Zustand der Dankbarkeit können keine schmerzhaften Gefühle aufrechterhalten werden.

Achtsamkeit vertiefen durch Selbstreflexion

Wenn du magst, kannst du auch noch kurz über die Erfahrungen mit deinen Achtsamkeitsübungen des Tages reflektieren. Stelle fest, wo es dir gelungen ist, achtsam zu sein. Lass diese Situationen noch einmal in deinem Inneren lebendig werden: Was hast du in diesem Momenten gedacht und gefühlt?

Registriere dabei auch unbarmherzige Kritik, falls du hinter deinen eigenen Erwartungen zurückgeblieben bist. Gerade in Momenten scheinbaren Versagens brauchen wir Zuspruch und Ermunterung. Vertrauen und Geduld sind Teil der Achtsamkeitspraxis. Nutze dein achtsames Gewahrsein, um diese Freundlichkeit nicht nur anderen, sondern auch dir selbst zu gewähren.

So fördert achtsames Schreiben Bewusstheit und  Selbsterkenntnis →

11. Nicht-Üben als Achtsamkeitsübung für den Alltag

Schlappes Faultier hängt über einem Bambusrohr.

Nicht zu üben, kann auch eine Achtsamkeitsübung sein.

Kaum zu glauben, aber wahr: In der Achtsamkeitspraxis nutzen wir sogar das Nicht-Üben für unsere Zwecke, die Achtsamkeitspraxis zu vertiefen. Tatsächlich kann auch das Nicht-Üben eine Übung sein – wenn man es achtsam tut.

Wenn du also das nächste Mal an deinem Meditationskissen vorübergehst und so tust, als sähest du es es nicht, dann halte einen Moment inne. Spüre in dich hinein, wie es sich anfühlt, nicht zu üben und reflektiere darüber, wie es sich auf dein Wohlbefinden auswirkt. Es geht nicht darum, sich für das Nicht-Üben zu verurteilen; vielmehr soll ein Bewusstsein für Resultate geschaffen werden.

© Doris Kirch, 2019