Ärger und Wut tauchen manchmal auch dort auf, wo wir sie gewöhnlich nicht erwarten und schon gar nicht haben wollen – zum Beispiel in der Achtsamkeitsmeditation. Dass beim Meditieren nicht nur angenehme Emotionen, sondern auch unangenehme Gefühle auftauchen, ist völlig normal. Dennoch müssen wir sie irgendwie bewältigen. Ich verrate dir meine besten 5 Tipps, wie du Ärger und Wut als Dünger für deine Achtsamkeitspraxis nutzten kannst.

Warum tauchen Wut und Ärger in der Achtsamkeitsmeditation auf?

Das ist schon eine komische Sache: Wir setzen uns zum Meditieren hin, um Ruhe und Klarheit in Hirn und Herz zu finden – und ohne jegliche Vorwarnung taucht plötzlich Ärger in uns auf und verwandelt den heiligen Gleichmut in unheilige Wut.

Bist du ein “Ausnahmetalent”, wenn dir so etwas widerfährt? Keineswegs. Achtsamkeitsmeditation ist nichts, was sich außerhalb des Lebens abspielt. Deshalb können alle Emotionen, die du aus dem alltäglichen Leben kennst, auch in der Meditation auftauchen.

In der Stille kommt manches hoch

Manchmal tun sie es genau dort, weil sich das Tagesbewusstsein beim Meditieren beruhigt und die Gedanken rund um die Bewältigung des Alltags in den Hintergrund treten. Nun entsteht Raum für all das, was wir gedanklich und emotional beseite geschoben haben, um im Alltag funktionsfähig zu sein.

In diesen stillen Zeiten kann sich ein Raum für Freude und Glücksgefühle auftun – aber auch für Wut, Ärger und andere unangenehme Emotionen. In der Meditation haben wir große Kraft, diese Dinge anzunehmen wie sie sind und wir können sie als Dünger für unsere Praxis nutzen.

Allerdings sollte man schon wissen, wie man das macht. Dafür habe ich dir meine besten 5 Tipps für den Umgang mit schwierigen Gefühlen in der Achtsamkeitsmeditation zusammengestellt.

5 Tipps für den Umgang mit Wut und Ärger in der Meditation

  1. Kultiviere die richtige Einstellung zur Achtsamkeitsmeditation
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  2. Besinn dich auf die Haltungen der Achtsamkeit: Praktiziere Akzeptanz
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  3. Begegne allem Auftauchenden mit Freundlichkeit
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  4. Atme mit den Gefühlen
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  5. Sei Beobachter: Mach den Ärger zum Meditationsobjekt
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Tipp1:
Kultiviere die richtige Einstellung zur Achtsamkeitsmeditation

Die größte Hürde im Umgang mit aufkommender Wut in der Meditation ist eine falsche innere Einstellung dazu. Viele Menschen meditieren, um “runterzukommen”, um abzuschalten und um etwas Abstand vom Alltag zu gewinnen.

Wenn das die Absicht ist, dann sind unangenehme Emotionen natürlich echte Troublemaker, die man am liebsten auf der Stelle wieder loswerden möchte. So verständlich diese Einstellung zu Wut und anderen schwierigen Gefühlen in der Meditation auch ist, so wenig hilfreich ist sie – jedenfalls nicht in der Achtsamkeitsmeditation.

Einsicht, das Ziel der Achtsamkeitsmeditation

Es gibt verschiedene Meditationsformen und bei manchen, wie zum Beispiel bei Phantasiereisen, sind Entspannung und Regeneration das Ziel. Die aus der buddhistischen Tradition stammende Achtsamkeitsmeditation hingegen ist keine Entspannungsübung, sondern ein Training des Geistes.

Hier geht es darum, allem was in der Meditation auftaucht, nicht-wertend und mit Gleichmut zu begegnen. Wir üben das in der Meditation, um diese Fähigkeiten für den Alltag zu entwickeln.

Achtsamkeit Praktizierende lernen, allen Gefühlen, egal ob angenehm oder unangenehm, mit der gleichen freundlichen inneren Haltung zu begegnen. Warum? Weil sie da sind. Und weil diese Emotionen zu unserem Leben dazugehören. Die Achtsamkeitsmeditation bildet hier keine Ausnahme.

Datum lautet mein erster Tipp, dich darin zu üben, Wut und Ärger als gleichwertige Gefühle anzuerkennen und ihnen keinen kräftezehrenden und unnötigen Widerstand entgegenzusetzen.

Tipp 2:
Besinn dich auf die Haltungen der Achtsamkeit: Praktiziere Akzeptanz

Dieser Tipp geht Hand im Hand mit dem vorherigen. Auch hier geht es um die “richtige” Einstellung, diesmal in Form von Akzeptanz, einer weiteren Haltung der Achtsamkeit. Akzeptanz bedeutet anzuerkennen, dass die Dinge sind, wie sie sind. Im Fall von Wut anzuerkennen, dass du gerade Wut oder Ärger in dir aufkommen spürst. Das ist die Realität.

Fühlt sich nicht gut an? Ja, auch das darf anerkannt werden. Du möchtest dieses Unbehagen am liebsten sofort loswerden? Ja, so ist es; auch das darfst du akzeptieren.

Wenn du Widerstände gegen die Wut aufbaust, machst du sie damit umso größer und verstärkst dein Leiden. Durch Akzeptanz nimmst du Druck aus der Sache.

Tip 3:
Begegne allem Auftauchenden mit Freundlichkeit

Auch hier geht es wieder um eine innere Einstellung. Sie ist sehr zentral, denn sie charakterisiert die Achtsamkeitspraxis: Freundlichkeit. Achtsamkeit bedeutet nicht nur, die Dinge in einem und um einen herum bewusst wahrzunehmen, sondern sie auf eine freundliche Weise wahrzunehmen.

In der Achtsamkeitspraxis machen wir dabei keine Unterscheidung zwischen angenehmen Objekten oder Empfindungen und unangenehmen. Das ist ja gerade die hohe Kunst, die es zu kultivieren gilt: Auch das Schwierige und Schmerzhafte als Teil der eigenen Erfahrung und des eigenen Lebens anzuerkennen und zu respektieren.

Wenn du der Wut mit Freundlichkeit begegnest, wirst du feststellen, dass diese Freundlichkeit sich auf die Wut auswirkt, wie Sonne auf Butter: Sie schmilzt. Dich der Wut und dem Ärger wohlwollend zu nähern, wirkt mildernd auf das Geschehen. So vermeidest du die mit Wut zusammenhängende Enge und verringerst den seelischen Schmerz.

Tip 4:
Atme mit der Wut und dem Ärger

Ein Trick von alten Meditations-Hasen: Wenn sich in der Meditation Aggression aufbaut, nimm den Atem hinzu. (Gleiches gilt auch für andere schwierige Emotionen). Atme mit den Gefühlen – aber nicht, um sie “wegzumachen”, sondern weil sie da sind, als Akt des Mitgefühls dir selbst gegenüber.

Zen-Meister Thich Nhat Hanh hat diesem Thema ein ganzes Buch gewidmet: Umarme deine Wut. Ich mag dieses Bild, die Wut zu umarmen. Wenn es bei mir in der Achtsamkeitsmeditation mal dicke kommt, umarme ich die Wut und atme mit ihr. Einfach weil sie da ist.

Wenn ich das tue, bin ich augenblicklich von Mitgefühl erfüllt: mit der Wut – und mit mir. Probier das mal aus und du wirst staunen wie viel Kraft darin steckt, mit schwierigen Gefühlen zu atmen.

Umarme deine Wut

Thich Nhat Hanh

Tip 5:
Sei Beobachter: Mach den Ärger zum Meditationsobjekt

Dieser Tipp ist nicht so verrückt, wie es auf den ersten Blick scheint. Es liegt in der Natur der Achtsamkeitspraxis, dass wir den Dingen auf den Grund gehen. Deshalb heißt diese Praxis ihrem Ursprung nach auch Vipassana, was so viel wie Einsicht bedeutet.

Dazu nehmen wir die Haltung eines neutralen Beobachters ein. Bei starken Emotionen ist das nicht immer einfach, aber mit zunehmender Entwicklung deiner Achtsamkeitspraxis wirst du darin immer geübter.

In der Meditation kannst du aus der Distanz beobachten, wie sich das starke Gefühl im Körper ausdrückt: Was geschieht, wenn du deine Aufmerksamkeit darauf richtest und wie verändert sich seine Intensität von Moment zu Moment? Je gefestigter deine Beobachterposition ist, desto weniger lässt du dich in eine starke Emotion hineinziehen.

Und du wirst feststellen: Je mehr du über das Wesen von Wut und Ärger in dir lernst, desto mehr verlieren diese Emotionen ihre Macht über dich. Auf diese Weise werden Wut und Ärger zum Dünger, der deine Achtsamkeitspraxis erblühen lässt.

© Doris Kirch