Ein Achtsamkeits-Retreat kann deine Gesundheit, deine Gemütsruhe und dein Lebensglück fördern. Nach einem Urlaub ist die Erholung schnell wieder verpufft. Erfahre, warum eine Auszeit in Schweigen, Achtsamkeit und Meditation heilsam für den Geist ist und sich sogar langfristig heilsam auswirkt.

Vor einigen Tagen bin ich aus der Stille ins “normale Leben” zurückgekehrt. Acht Tage lang nur Achtsamkeit und Meditation im Schweigen. Solche Auszeiten im Alltag regen zu tiefen Reflexionen über sich selbst und die eigene Lebensgestaltung an.

Jedes Mal, wenn ich aus einem Retreat zurückkehre, das ich als Teilnehmerin besucht oder selbst gegeben habe, frage ich mich: Wieso ziehen sich eigentlich nicht viel mehr Menschen von Zeit zu Zeit in Auszeiten des Schweigens zurück?

Wieso ziehst du dich nicht regelmäßig zu einer Auszeit im Schweigen zurück?

Achtsamkeits-Retreat: Zeit der Einkehr und Besinnung

Nach meiner Erfahrung ist der Erholungswert eines Achtsamkeits-Retreats im Schweigen sehr viel höher als der eines “Erholungs-Urlaubs”. Warum das so ist, hat mit Zeit, der Ausrichtung des Geistes und innerpsychischen Prozessen zu tun.

Während des Urlaubs möchten wir uns entspannen. Eine Zeit lang wollen wir alle Belastungen hinter uns lassen, frei sein und das Leben genießen. Für die Spanne des Urlaubs verdrängen wir alles Unangenehme.

Was sich kurzfristig gut anfühlt, ist langfristig oft nicht hilfreich

Das fühlt sich zunächst einmal gut an und auf kurze Distanz betrachtet, kann ein Retreat hier nicht mithalten. Die formale Struktur und das Schweigen, werfen einen auf sich selbst zurück. Bisweilen kann sich diese Tatsache sogar ziemlich unentspannt anfühlen, weil man dem Unangenehmen, das im Geist auftaucht, nicht ausweichen kann.

Denn anders als im Urlaub, wo eine Ablenkung der nächsten folgt, sind Ablenkungen in einem Schweige-Retreat nicht möglich: Es wird nicht gelesen, nicht geschrieben, keine Musik gehört und es gibt keinen Austausch mit anderen – weder per gesprochenem Wort, noch über Mails, WhatsApp oder Facebook und Co..

Achtsamkeits-Retreat mit Doris Kirch

Achtsamkeits-Retreat mit Doris Kirch

Schweigen vertieft die Kommunikation mit sich selbst

Der Geist ist der eigenen Gesellschaft ausgesetzt. Er gart im eigenen Saft und das ist manchmal schwer auszuhalten. Die ersten drei Tage sind besonders anspruchsvoll. Aber allmählich wird er fügsam, gewöhnt sich an Stille und Langsamkeit und beginnt, seine eigene Gegenwart zu genießen. Während der praktizierten Achtsamkeit und der Meditation kann es durch die Selbst-Konfrontation zu tiefen Erkenntnissen über sich selbst kommen. Man erhält manchmal Antworten auf nie gestellte Fragen.

Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, bevor sie ein Achtsamkeits-Retreat bei mir besuchen, haben die Befürchtung, die Tage ohne Kommunikation mit anderen nicht auszuhalten. Solch eine Furcht ist unbegründet, wie die Erfahrung zeigt. Bislang hat ausnahmslos jeder meiner Retreat-Teilnehmer in der Aussprache des Achtsamkeits-Retreats am Schluss darüber berichtet, wie erleichternd es war, einmal nicht reden zu müssen.

Zudem sagen die Teilnehmer oft, dass durchaus “Kommunikation” stattgefunden hätte. Aber sie sei mit der Alltags-Kommunikation nicht vergleichbar. Und in der Tat: Während eines Schweige-Retreats gibt es ein Miteinander, das auf einer anderen Ebene, einer anderen “Wellenlänge” stattfindet – jenseits von gesprochenen Worten, Gesten oder Blickkontakt.

Wir reden so viel, dass wir den Wert des Schweigens aus den Augen verlieren.
Doris Kirch

Im Achtsamkeits-Retreat öffnen sich Räume tiefen inneren Verstehens

Im Schweigen öffnet sich der Raum eines tiefen inneren Verstehens und einer tiefen menschlichen Verbundenheit, die jenseits aller Worte liegen. Das fühlt sich fast magisch an und ist im Alltag selten zu erleben. Es tritt hervor durch den Wechsel vom Modus des Tuns in den Modus des Seins – einen Zustand jenseits von Anspannung, Stress und Druck.

Durch willentliche Anstrengung ist er nicht zu erreichen; er ist das Resultat eines tiefen inneren Loslassens, einer radikalen Akzeptanz des gegenwärtigen Moments. Ein umfassendes und bedingungsloses Sein-Lassen.

Schweigen ist in unserer Kommunikationsgesellschaft ungewohnt. Wir reden so viel, dass uns der Wert des Schweigens verlorengeht. In einer stillen Auszeit eines Achtsamkeits-Retreats wird er uns wieder bewusst. Zu diesen Zeiten erfahren wir den enormen Wert und die heilsamen Auswirkungen des achtsamen Schweigens auf die Geistes- und Gemütsruhe.

Eine ganz persönliche Erfahrung mit Schweigen in Achtsamkeit

Vor einigen Jahren, als ich aus einem 10-tätigen Schweige-Retreat zurückkehrte, hatte ich das Gefühl, verkehrt zu sein. Das Ankommen in meinem gewöhnlichen Alltag fühlte sich an, wie mit 100 km/h gegen eine Mauer zu fahren. Ich war völlig verlangsamt und gab mir redliche Mühe, mich wieder an den “normalen” Rhythmus anzupassen.

In einem lichten Moment begriff ich jedoch, dass nicht ich zu langsam, sondern dass das Tempo des Alltags zu schnell war. Nicht ich war verkehrt, sondern die äußeren Umstände! Das Schweige-Retreat hatte mir die Möglichkeit gegeben, wieder in dem wirklich “normalen” menschlichen Rhythmus anzukommen – und der ist sehr viel langsamer als das Alltagstempo einer modernen Leistungsgesellschaft.

“Funktionieren” bedeutet nicht unbedingt, gesund und glücklich zu sein

In der Zeit nach einem Achtsamkeits-Retreat unterwirft sich unser Millionen Jahre altes Reptiliengehirn wieder dem äußeren Diktat, indem es sich (scheinbar) anpasst. Scheinbar deshalb, weil es sich durch ein aufgezwungenes Tempo, das seinem eigenen nicht entspricht, permanent in einem Zustand von unterschwelligem Stress befindet.

Das körperliche Adaptionssystem sorgt dafür, die stressbedingten Auswirkungen innerhalb des Organismus einigermaßen im Gleichgewicht zu halten – aber auf Dauer untergräbt dieser Zustand subtil, unbemerkt und geradezu heimtückisch unsere Gesundheit und Lebensfreude.

Achtsamkeitsretreat

Im Achtsamkeits-Retreat wieder zu sich kommen

Regelmäßig an Retreats teilzunehmen, verändert das Bewusstsein. Ich stelle zum Beispiel fest, dass ich in meinem Alltag, zu Hause und im Job, Prozesse bewusst zunehmend verlangsame. Mein Gefühl für Kairos, für die Qualität von Zeit, nimmt zu. Ich spüre deutlicher, dass alle Dinge ihre Zeit haben und bin immer mehr in der Lage, sie ihnen zu gewähren. Die Ergebnisse sind deutlich besser und auf der zwischemenschlichen Ebene wohltuender. Je mehr sich mein Gespür für die Qualität von Zeit verbessert, desto mehr verbessert sich die Qualität meines Lebens.

Ein Plädoyer für Retreat, Achtsamkeit, Meditation und Schweigen

Die Erholung des Urlaubs verpufft so schnell, wie sie gekommen ist. Jeder kennt dieses erstaunliche Phänomen der geringen Nachhaltigkeit des Jahresurlaubs. Die Erholung, die ein Retreat nach sich zieht, hält an – und sie beschert nicht nur ein paar entspannte Tage, sondern verbessert Gesundheit, Stress-Resilienz – und die Qualität des Lebens als solches.

Aus diesem Grund sollte eine jährliche Auszeit in Achtsamkeit und Meditation im Schweigen – und sei es nur eine Wochenend-Auszeit oder ein Achtsamkeitstag – zur natürlichen und selbstverständlichen Lebenspflege jedes Menschen gehören.